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z_3-2007_Der aktuelle Stand in Sachen Erbschaftsteuerrecht |
Der aktuelle Stand in Sachen Erbschaftsteuerreform
Das Bundesverfassungsgericht hat das geltende Erbschaft- und Schenkungsteuerrecht für unvereinbar mit dem Grundgesetz erklärt und den Gesetzgeber zu einer umfassende Reform bis spätestens 31.12.2008 verpflichtet. InAusgabe 2/2007 dieser Zeitschrift hatten wir auf Seite 18 ff. ausführlich über diese Entscheidung des Verfassungsgerichts und über die aus ihr resultierenden Perspektiven berichtet. Zwischenzeitlich ist Bewegung in die politische Landschaft gekommen, weshalb wir kurz den aktuellen Stand der Entwicklung zusammenfassen möchten. Neben der bereits seit einigen Monaten bestehenden Arbeitsgruppe der Länderfinanzminister zur Erbschaftsteuerreform gibt es nun auch eine Arbeitsgruppe auf Bundesebene. Geleitet wird sie von Bundesfinanzminister Peer Steinbrück (SPD) und dem hessischen Ministerpräsidenten Roland Koch (CDU). Der Arbeitsgruppe gehören auch die Landesfinanzminister von Baden-Württemberg, Bayern und Rheinland-pfalz sowie Vertreter der Koalitionsfraktionen an. Während sich die Arbeitsgruppe der Länderfinanzminister vor allem mit der Frage beschäftigt, wie die erbschaftsteuerliche Bewertung von Immobilien, von Betriebsvermögen und von land- und forstwirtschaftlichem Vermögen künftig aussehen soll, befasst sich die KochSteinbrück-Gruppe mit der grundsätzlichen Ausrichtung der Reform sowie mit den Freibeträgen und den Steuersätzen.
Die Umrisse eines neuen erbschaftsteuerlichen Wertermittlungsrechts sollen im Laufe des Sommers feststehen, Koch und Steinbrück beabsichtigen, Ende September bis Anfang Oktober einen vollständigen Reformvorschlag vorzulegen. Ob diese ehrgeizigen Termine angesichts der Komplexität der Materie und der zahlreichen divergierenden Meinungen quer durch alle politischen Lager eingehalten werden können, bleibt abzuwarten.
Koch und Steinbrück haben sich bislang auf folgende Eckpunkte verständigt:
· "Normale" Vermögen wie Einfamilienhäuser und Eigentumswohnungen sollen auch künftig weitgehend unbelastet von Erbschaft- oder Schenkungsteuer auf Ehegatten und Kinder übertragen werden können.
· Das allein den Ländern zustehende Steueraufkommen soll mindestens auf seinem gegenwärtigen Stand von rund 4 Mrd. € pro Jahr erhalten bleiben.
· Erben großer Privatvermögen müssen mit einer stärkeren Steuerbelastung rechnen.
· Die Unternehmensnachfolge soll - nicht zuletzt im Interesse der Erhaltung von Arbeitsplätzen - erleichtert werden, indem der Nachfolger von Erbschaft- bzw. Schenkungsteuer verschont bleibt, wenn er den Betrieb mindestens zehn Jahre lang in einem wirtschaftlich vergleichbaren Umfang fortführt.
Die Erleichterung der Unternehmensnachfolge hatte die Regierungskoalition schon länger geplant und dafür ein Abschmelzungsmodell vorgesehen: Die Erbschaft- bzw. Schenkungsteuer auf produktives Betriebsvermögen sollte zehn Jahre lang gestundet und pro Jahr der Betriebsfortführung in Schritten von jeweils zehn Prozent erlassen werden, so dass sie nach zehnjähriger Fortführung des Betriebes vollständig entfiele. In den letzten Wochen mehren sich aber in Wirtschaft und Politik die Zweifel an der Realisierbarkeit dieses Modells. Das Hauptproblem besteht in der erforderlichen Abgrenzung von produktivem und nicht produktivem Betriebsvermögen. Der BadenWürttembergische Finanzminister Gerhard Stratthaus hat wegen der damit verbundenen ganz erheblichen Schwierigkeiten nun den Gedanken einer sog. Flat Tax, also einer Steuer mit breiter Bemessungsgrundlage aber niedrigen, festen Steuersätzen, zur Diskussion gestellt. Zustimmung erfährt er darin unter anderem von Ludwig Georg Braun, dem Präsidenten des DIHK. Es bleibt spannend - wir berichten weiter.
Dr. Dieter Schwarz, Stuttgart
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z_3-2007_Auslegung enes Erbvertrages |
Auslegung eines Erbvertrages: Eine "Quotell kann nicht null betragen Oberlandesgericht Düsseldorf, Beschluss vom 29. Januar 2007, Aktenzeichen 1-3 Wx 256/06
Die Erblasserin hatte gemeinsam mit ihrem Ehemann einen Erbvertrag errichtet, in dem sich beide gegenseitig zu Alleinerben beim Tod des Erstversterbenden einsetzten und ihre zwei Töchter je zur Hälfte als Schlusserbinnen beim Tod des Längerlebenden. Der Erbvertrag entsprach also der typischen Konstruktion des weit verbreiteten sog. Berliner Testaments. Allerdings enthielt er eine Klausel, die es dem Längerlebenden gestattete, "diese Anordnung noch zu ändern, insbesondere durch eine anderweitige Festlegung der Erbquoten". Nachdem der Ehemann verstorben und von seiner Frau gemäß dem Erbvertrag beerbt worden war, errichtete die Witwe ein privatschriftliches Testament. Darin verfügte sie, dass die eine Tochter das gesamte Vermögen erhalten solle, die andere Tochter bekomme, wenn sie das wolle, den Pflichtteil ausgezahlt. Damit war die zweite Tochter faktisch enterbt, ihre Schwester Alleinerbin. Nach dem Tod der Erblasserin kam es zwischen den Töchtern zum Streit über die Wirksamkeit dieses Testaments.
Nach § 2289 Abs. 2 BGB (Bürgerliches Gesetzbuch) ist ein Testament unwirksam, wenn es Rechte einer Person beeinträchtigen würde, die sich aus einem zuvor wirksam abgeschlossenen Erbvertrag ergeben. Wer einen Erbvertrag geschlossen hat, ist also an dessen Inhalt grundsätzlich auch über den Tod des anderen Vertragspartners hinaus gebunden. Demnach kam es für die Frage, ob das Testament der Mutter wirksam ist, im vorliegenden Fall darauf an, ob die Enterbung der einen Tochter durch den im Erbvertrag enthaltenen Änderungsvorbehalt gedeckt war oder nicht. In erster Instanz erklärte das Landgericht Wuppertal das Testament für wirksam, da seiner Ansicht nach die erbvertragliche Änderungsklausel auch die Enterbung zuließ. Dem widersprach das in zweiter Instanz angerufene Oberlandesgericht Düsseldorf; Der Änderungsvorbehalt im Erbvertrag ist zwar nicht direkt eingeschränkt, bei seiner Auslegung ist aber zu berücksichtigen, dass er durch den beispielhaften Hinweis auf eine Änderung der Erbquoten präzisiert wird. Nach allgemeinem Sprachgebrauch bezeichnet der Begriff "Quote" den Anteil, den der Einzelne bei der Verteilung eines Ganzen erhält. Die Erbquote legt also den Anteil der einzelnen Erben am Nachlass fest. Wer aber bei der Verteilung des Nachlassvermögens gar nichts bekommt, erhält auch keine Quote. Mit anderen Worten: Eine Quote kann nicht null betragen. Diese Auslegung stimmt auch mit den gesetzlichen Regelungen überein: Das BGB definiert in § 1922 Abs. 2 den Erbteil- dieser vom Gesetz verwendete Begriff ist identisch mit dem allgemeinsprachlichen Begriff der Erbquote als den Anteil eines Miterben an der Erbschaft. Wer aber enterbt ist, erhält keinen solchen Anteil und ist daher gerade kein Miterbe mehr. Der Änderungsvorbehalt erlaubte es der Erblasserin demnach nur, die prozentuale Beteiligung ihrer beiden Töchter am Nachlass neu festzulegen, aber gestattete es ihr nicht, deren Einsetzung als Miterbinnen gänzlich zu beseitigen.
Etwas anders könnte nur gelten, wenn beide Eltern beim Abschluss des Erbvertrages den Änderungsvorbehalt übereinstimmend so verstanden hätten, dass er auch die Möglichkeit der Enterbung einer Tochter umfassen sollte. Der Umfang der erbvertraglichen Bindung des Längerlebenden richtet sich nämlich innerhalb der gesetzlichen Grenzen ausschließlich nach dem Willen der vertragschließenden Parteien im Zeitpunkt des Vertragsschlusses. Hierzu muss der Notar, vor dem der Erbvertrag seinerzeit errichtet worden war, als Zeuge gehört werden, weshalb das Oberlandesgericht das Verfahren zur weiteren Sachverhaltsaufklärung an das Landgericht zurückverwiesen hat.
Dr. Dieter Schwarz, Stuttgart
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z_3-2007_Die Bürgerstiftung |
Die Bürgerstiftung Ein Erfolgsmodell zur Gemeinwohlförderung
Eine in Deutschland neu entdeckte Möglichkeit, das Gemeinwohl zu fördern, stellt die Gründung und Förderung von Bürgerstiftungen dar. Was es damit auf sich hat, welche Möglichkeiten die Bürgerstiftung bietet und welche steuerlichen Vorteile mit ihr verbunden sind, zeigt dieser Beitrag am Beispiel der Bürgerstiftung Bonn auf.
Bürgerstiftungen sind Stiftungen von Bürgern für Bürger in einem regional begrenzten Raum. Ihre Besonderheit besteht darin, dass nicht ein Einzelner mit seinem (größeren) Vermögen eine Stiftung gründet, sondern eine Vielzahl von Bürgern einer Stadt oder Region sich zusammentun. Damit können auch Menschen mit einem überschaubaren Vermögen dieses effizient für das Gemeinwohl einsetzen. Das Ziel derartiger Bürgerstiftungen besteht regelmäßig darin, im örtlichen Umkreis bestimmte Ziele besonders zu fördern. Die Stiftungszwecke können hier breit gestreut sein. Sinnvoll ist aber eine Begrenzung auf Zwecke, die auch steuerlich vom Gemeinnützigkeitsrecht abgedeckt werden.
Nachdem eine erste Bürgerstiftung in Deutschland Ende der 90er-Jahre gegründet wurde, gibt es mittlerweile mehr als 70 Stiftungen dieser Art bundesweit. In den Vereinigten Staaten haben solche Stiftungen als "community foundation" seit Gründung der "Cleveland Foundations" im Jahre 1914 eine schon fast 100-jährige Tradition. In Bonn hat die Sparkasse Bonn (heute Sparkasse KölnBonn) Ende 2001 den Startschuss für eine Bürgerstiftung gegeben und die Stiftung mit einem Gründungskapital von 250000 € ausgestattet. Dieses Kapital soll durch Zustiftungen von Bürgern der Stadt Bonn - sei es im Wege der Zustiftung zu Lebzeiten, sei es durch Verfügung von Todes wegen - anwachsen. Die Bürgerstiftung Bonn hat dies durch eine breite Streuung der möglichen Zwecke erleichtert.
Was ist eine Stiftung? Eine Stiftung ist eine juristische Person, die durch einen oder mehrere Stifter ins Leben gerufen wird. Stiftungen müssen bestimmten Anforderungen genügen und bedürfen zu ihrem Entstehen der Anerkennung durch die zuständige Landesbehörde desjenigen Bundeslandes (in den Flächenstaaten meist die Bezirksregierung, sonst ein Landesministerium), in dem die Stiftung ihren Sitz haben soll. Die gesetzlichen Vorgaben sind in den §§ 80 bis 88 BGB (Bürgerliches Gesetzbuch) und in den Stiftungs gesetzen der einzelnen Bundesländer enthalten. Stiftungen können als Stiftung unter Lebenden errichtet werden, ebenso aber auch als Stiftung von Todes wegen. Das Stiftungsgeschäft unter Lebenden bedarf nach § 81 BGB der schriftlichen Form und muss die Stiftungssatzung festlegen. Werden gleichzeitig Grundstücke oder GmbH-Anteile in das Vermögen der (zukünftigen) Stiftung eingebracht, so muss das Stiftungsgeschäft überdies notariell beurkundet werden. Bei der Stiftung von Todes wegen sind nach § 83 BGB die Formvorschriften über die Verfügung von Todes wegen einzuhalten. Eine solche Stiftung kann also auch durch ein eigenhändiges Testament errichtet werden. Allerdings muss dann auch die Stiftungssatzung in eigenhändiger Form - also vollstän-dig von Hand geschrieben - niedergelegt werden. Das Gesetz erleichtert die Abwicklung dadurch, dass eine fehlende oder unvollständige Satzung durch die Anerkennungsbehörde ergänzt werden kann. Ob dann allerdings noch alle Ziele, die der Stifter ursprünglich verfolgt wissen wollte, tatsächlich Gegenstand der Stiftung werden, ist fraglich.
Jede Stiftung muss einen definierten Stiftungszweck haben, wobei jedes mit den Gesetzen in Einklang stehende Ziel zulässig ist. Der Stiftungs zweck muss keineswegs immer der Allgemeinheit dienen. Insbesondere Familienstiftungen sind als Instrument der Nachfolgeregelung bei Unternehmen gebräuchlich. Bei der unternehmensverbundenen Familienstiftung werden oft die Anteile einer Personen- oder Kapitalgesellschaft in eine Familienstiftung eingebracht, mit der der Zweck verfolgt wird, die Erträge des Unternehmens langfristig der Familie des Gründers zukommen zu lassen und gleichzeitig die Beteiligungsinteressen des Stifters und seiner Familie zu sichern. Hier unterliegen die jeweiligen Erträge aber der normalen Besteuerung.
Soll die Stiftung zusätzlich besondere steuerliche Vorteile haben, so muss der verfolgte Stiftungs zweck den Anforderungen der Gemeinnützigkeit (§§ 51 ff. AG - Abgabenordnung) genügen, die Stiftung also entweder einem gemeinnützigen (§ 52 AG), einem mildtätigen (§ 53 AG) oder kirchlichen (§ 54 AG) Zweck dienen. Darüber hinaus müssen auch weitere steuerrechtlich vorgegebene Kriterien eingehalten werden, auf die hier aber nicht näher eingegangen werden soll. Stiftungen müssen mit einem Stiftungsvermögen ausgestattet werden, mit dem der Stiftungszweck auch auf Dauer erreicht werden kann. Die beim jeweiligen Bundesland angesiedelte Stiftungsaufsicht prüft dies bereits bei der Gründung. In Nordrhein-Westfalen ist die Mindestgrößenordnung für die Anerkennung einer gemeinnützigen Stiftung von einem Stiftungsvermögen bei etwa 50000 € anzusiedeln. In anderen Bundesländern liegen diese Zahlen je nach örtlicher Einschätzung zwischen 10 000 € (Darmstadt) und 250000 € (Dessau, Chemnitz).
Das Kapital einer Stiftung darf grundsätzlich (einzige Ausnahme ist die Verbrauchsstiftung) bei der Durchführung der Stiftungsaufgaben nicht angegriffen werden. Ausgegeben werden dürfen also nur die laufenden Erträge und die weiteren Einkünfte, die aus den Stiftungstätigkeiten entstehen. In dieser Kapitalbindung besteht der wesentliche Unterschied zu Spenden, die komplett für die jeweiligen Zwecke ausgegeben werden dürfen und müssen.
Im Allgemeinen wird als Mindestbetrag ein Kapital von 100000 € angesehen, damit die Verwaltung einer Stiftung sinnvoll durchgeführt werden kann, sodass auch für den Stiftungszweck am Ende noch etwas übrig bleibt. Denn die von der Stiftungsaufsicht überwachte ordnungsgemäße Führung einer Stiftung erfordert einen nicht geringen finanziellen Aufwand. Bei einer günstigen Anlage von 100000 € mögen diese vielleicht 4000 € pro Jahr erbringen. Werden hiervon die Kosten der Stiftungs verwaltung mit wenigstens 1000 € pro Jahr abgezogen, bleibt für den eigentlichen Zweck der Stiftung nur noch ein geringer Betrag übrig. Eigenständige Stiftungen werden deshalb erst empfohlen, wenn langfristig ein Kapital ab 500000 € zur Verfügung stehen wird. Dies kann natürlich auch dann gegeben sein, wenn der oder die Stifter zu Lebzeiten zunächst eine kleine Stiftung gründen und sie dieser dann mit ihrem Ableben ein größeres Vermögen zukommen lassen. Bei geringeren Vermögenswerten gibt es oft bessere Alternativen als eine eigenständige Stiftung. Hier kann zum Beispiel eine unselbstständige Stiftung gegründet werden oder eine Zustiftung erfolgen.
Die unselbstständige Stiftung ist keine eigenständige juristische Person, sondern bedient sich als Dach einer anderen - selbstständigen - Stiftung, die die treuhänderische Verwaltung der Vermögenswerte der unselbstständigen Stiftung übernimmt. Hierdurch werden insbesondere die staatlichen Anerkennungsvoraussetzungen und ein hoher Verwaltungsaufwand vermieden. Insofern ist die unselbstständige Stiftung ein beliebtes Gestaltungsmittel, insbesondere bei kleineren Vermögen. Zustiftungen sind Zuführungen von Vermögenswerten zum Kapitalstock einer bereits bestehenden Stiftung. Sie können nur im Rahmen des Zwecks der bestehenden Stiftung erfolgen.
Die steuerlichen Vorteile einer gemeinnützigen Stiftung Ist die Stiftung gemeinnützig, mildtätig oder kirchlich, so ist sie von der laufenden Besteuerung weitgehend befreit, sodass die erzielten Erträge voll und ganz den jeweiligen Stiftungszwecken zukommen können. Weitere steuerliche Vorteile bestehen darin, dass Zuwendungen an gemeinnützige Stiftungen von der Erbschaft- und Schenkungsteuer freigestellt sind, sodass das Stiftungskapital voll erhalten bleibt. Derzeit beträgt der einkommensteuerliche Höchstbetrag für die Ausstattung von Stiftungen mit Kapital 307000 €, wobei dieser Betrag im Rahmen der anstehenden Reform des Gemeinnützigkeits- und Spendenrechts voraussichtlich rückwirkend ab dem 1.1.2007 auf eine Million Euro erhöht werden soll.
Gleichzeitig soll der Anteil steuerlich zu berücksichtigender Spenden von bisher fünf bzw. zehn Prozent des Gesamtbetrages der Einkünfte auf zukünftig einheitlich 20 Prozent erhöht werden, sodass hier ein deutlich größerer Rahmen für gemeinnützige Zuwendungen geschaffen wird. Zu beachten ist, dass die Ausstattung einer gemeinnützigen Stiftung mit Kapital vom Stifter wie eine Spende ebenfalls als Sonderausgabe steuerlich geltend gemacht werden kann. Der Gründungsbeitrag für eine Stiftung kann hierbei steuerlich auf bis zu zehn Jahre verteilt werden. Damit beteiligt sich indirekt auch der Fiskus an der Gründung einer Stiftung. Diese ertragsteuerlichen Vorteile gelten aber nur für die Stiftung unter Lebenden.
In allen Fällen müssen die gemeinnützigen Zwecke selbstlos, ausschließlich und unmittelbar verfolgt werden, damit die entsprechenden steuerlichen Vergünstigungen gewährt werden.
Ein Beispiel: Die Bürgerstiftung Bonn Von den verschiedenen Formen der Stiftungen soll hier die Bürgerstiftung am Beispiel der Bürgerstiftung Bonn vorgestellt werden, um insbesondere die praktische Seite deutlich zu machen. Bürgerstiftungen sind dadurch gekennzeichnet, dass sie als Stiftungen von Bürgern für Bürger für einen bestimmten regionalen Raum gegründet werden. Weil die hohen Anforderungen an eine finanzielle Grundausstattung für eine Stiftung häufig die Möglichkeiten des Einzelnen übersteigen und eine effektive Umsetzung den Zusammenschluss mehrerer sinnvoll macht, werden Bürgerstiftungen nicht selten von verschiedenen Personen gemeinsam gegründet. In Bonn hatte die Sparkasse Bonn Ende 2001 die Idee einer Bürgerstiftung aufgegriffen und als Grundstock für das Stiftungsvermögen einen Betrag von 250000 € zur Verfügung gestellt, mit dem dann die Bürgerstiftung Bonn gegründet wurde. Zusätzlich hat die Sparkasse Bonn einen Sonderfonds mit 500000 € bereitgestellt, aus dem jeder der Stiftung zufließende Betrag noch einmal verdoppelt wird. Heute hat das Stiftungs kapital die Millionengrenze bereits überschritten.
Stifter bei der Bürgerstiftung Bonn kann jeder Bürger werden, der einen Betrag von wenigstens 500 € der Bürgerstiftung als Zustiftung zur Verfügung stellt. Daneben nimmt die Stiftung selbstverständlich auch Spenden an, mit denen gemeinnützige Projekte verwirklicht werden können. Ab einem Betrag von 100000 € können Stifter unter dem Dach der Bürgerstiftung Bonn eine eigene (unselbstständige) Stiftung oder einen Stiftungsfonds errichten, hierbei den konkreten Stiftungszweck bestimmen und der Stiftung einen eigenen Namen geben. Allerdings muss dieser Stiftungszweck auch im Rahmen der Zwecke der Bürgerstiftung liegen. Die Stiftungszwecke der Bürgerstiftung Bonn sind deshalb breit angelegt, sodass für Zielvorgaben der Bürger ein breites Spektrum gegeben ist. Die Stiftungszecke sind im Einzelnen:
· Jugend- und Altenhilfe
· Bildung und Erziehung
· Wissenschaft und Forschung
· Kunst und Kultur
· Umwelt- und Naturschutz
· Landschafts- und Denkmalschutz
· Sport
· öffentliches Gesundheitswesen
· Völkerverständigung
Mit den Einkünften aus dem Stiftungskapital werden diverse Projekte in der Stadt Bonn unterstützt. Beispiele für die von der Bürgerstiftung Bonn geförderten Projekte sind etwa folgende:
· Die Bürgerstiftung stellt jährlich Fördermittel für gemeinnützige Initiativen zur Verfügung. Um diese Fördermittel von mindestens 10000 € pro Jahr können sich jeweils zu Beginn des Jahres Vereine und Organisationen mit konkreten Projekten bewerben. So wurde etwa die Stiftung Krankenhausseelsorge des evangelischen Kirchenkreises Bonn gefördert, die damit einen Besuchsdienst von professionellen "Klinik-Clowns" auf den Kinderstationen der Bonner Kliniken auf- und ausgebaut hat. Dieser Besuchsdienst erfreut sich großer Beliebtheit.
· Mit Mitteln der Bürgerstiftung und der Hilfe von ehrenamtlichen Mitarbeitern wurden die sog. offenen Bücherschränke realisiert, die an verschiedenen Standorten in der Stadt Bonn aufgestellt wurden. In die jederzeit zugänglichen Bücherschränke werden Bücher durch Bürger eingestellt, die wiederum von anderen Bürgern mitgenommen werden dürfen. Beschränkungen gibt es nicht, mit der Einstellung und Entnahme dieser Bücher sind keinerlei Regeln verbunden, es gibt keine Fristen oder sonstige Bestimmungen. Die Bücherschränke haben sich schnell zu Orten des Austausches, des Kennenlernens und der Kommunikation entwickelt.
· In einem Bonner Gymnasium wurde mithilfe der Bürgerstiftung das Generationen verbindende Projekt EULE (Erleben, Unterrichten, Lernen, Experimentieren) aufgenommen, in dessen Rahmen Schülerinnen und Schüler einmal wöchentlich Seniorinnen und Senioren unterrichten. Angeboten werden z. B. Computer- oder Handytraining, Konversation in Englisch und Französisch oder Kurse in Taekwondo zur Selbstverteidigung.
· Mit dem Bonner Olympia Team 2008 werden sechs Bonner Spitzensportlerinnen und Sportler, die sich auf die Olympischen Spiele in Peking vorbereiten, individuell nach ihren Bedürfnissen gefördert.
Daneben stellt die Bürgerstiftung Bonn Stiftern auch die Möglichkeit zur Verfügung, unter dem Dach der Bürgerstiftung unselbstständige Einzelstiftungen anzusiedeln. Damit lassen sich konkrete Zielsetzungen des jeweiligen Stifters verbinden. Außerdem ist er berechtigt, der Stiftung einen Namen zu geben, unter dem sie auftritt. Auch die unselbstständigen Stiftungen verfügen über einen eigenen Stiftungsvorstand oder Stiftungsrat, in dem der jeweilige Stifter oder seine Vertrauenspersonen vertreten sind. Unter dem Dach der Bürgerstiftung Bonn gibt es bereits mehrere solcher unselbstständigen Stiftungen. Hier einige Beispiele:
· Durch Professoren der Fachgruppe Physik/Astronomie der Universität Bonn ist die Stiftung für Physik und Astronomie gegründet worden, mit denen junge Physiker und Astronomen gefördert werden sollen. Die Stiftung verleiht jährlich einen Promotionspreis und will zukünftig an die besten Bachelor-Studenten des ersten Jahres Prämien in Höhe des Studienbeitrages vergeben.
· Eine Bonner Bürgerin hat die nach ihr benannte Lianne-Franzky-Stiftung gegründet, um hochbegabte junge Menschen zu fördern, die bereit sind, sich mit ihrer ganzen Energie und Begeisterung für die Weiterentwicklung ihrer besonderen Begabungen zu engagieren.
· Zum Andenken an den Bonner Maler Douglas Litterick Swan hat sein Sohn den Stiftungfonds Douglas Swan Stiftung errichtet, mit dem die Förderung von Kunst und Kultur im Zusammenhang mit dem künstlerischen Lebenswerk des Bonner Malers bezweckt wird. Jährlich wird der DouglasSwan-Förderpreis für junge Künstler und Künstlerinnen ausgelobt.
Realisierung und Verwaltung einer Stiftung Wer eine eigenständige Stiftung gründen will, sollte sich hierbei sorgfältig beraten lassen, weil es sich um eine sehr spezielle Materie mit besonderen Anforderungen handelt. Professionelle Hilfe ist vielerorts vorhanden. Sie muss insbesondere dann in Anspruch genommen werden, wenn die Stiftung durch eine Verfügung von Todes wegen errichtet werden soll. Hier sind nachträgliche Korrekturen äußerst schwierig, wenn sie sich überhaupt realisieren lassen, denn der Stifter ist ja zu diesem Zeitpunkt bereits verstorben und kann nicht mehr gefragt werden. Wird die Stiftung bereits zu Lebzeiten errichtet, so bestehen jedenfalls bis zur Entstehung der Stiftung noch Korrekturmöglichkeiten, danach nur noch dann, wenn ausreichende Vorbehalte in der Stiftungssatzung enthalten waren. Deshalb ist auch hierbei fachkundige Beratung dringend angezeigt.
Bei der Bürgerstiftung Bonn übernehmen die Mitarbeiter der Stiftung die Beratung der zukünftigen Stifter, wenn diese eine Zustiftung leisten oder eine Stiftung unter dem Dach der Bürgerstiftung gründen wollen. Die Bürgerstiftung unterstützt und berät Stifter bei der Wahl des Stiftungszwecks und bei der Überwindung von bürokratischen und organisatorischen Hindernissen. Bei den unselbstständigen Stiftungen werden auch die Verwaltung der Stiftung und die Anlage des Stiftungsvermögens übernommen. Auch bei der Auswahl geeigneter Förderprojekte bis zur Durchführung des konkreten Projektmanagements hilft die Bürgerstiftung. Verwaltet wird die Bonner Bürgerstiftung durch Mitarbeiter der Sparkasse KölnBonn, um auf diesem Wege die Ressourcen der Stiftung nach Möglichkeit in vollem Umfange demjeweiligen Stiftungszweck zukommen zu lassen.
Will jemand außerhalb der Stiftungszwecke der Bürgerstiftung Bonn eine Stiftung errichten, so bietet die Sparkasse KölnBonn auch ein komplettes Stiftungsmanagement an.
Die Verwaltung von Stiftungen bieten neben einigen Kreditinstituten auch spezielle Organisationen an, die bundesweit tätig sind. Wesentliche Vorteile der Verwaltung durch eine Sparkasse ergeben sich für die Stifter vor allem durch den lokalen Bezug. Auch insoweit stellt die von der Sparkasse KölnBonn initiierte Bürgerstiftung ein nachahmenswertes Beispiel dar.
Franz M. Große-Wilde, Rechtsanwalt, Fachanwalt für Erbrecht, Bann, Vizepräsident der Deutschen Gesellschaft für Erbrechtskunde e. V.
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z_3-2007_Gesetzliche Regelung der Patientenverfügung |
Gesetzliche Regelung der Patientenverfügung? Interview mit Bundesjustizministerin Brigitte Zypries
dez: Sie haben bereits im vergangenen Jahr Ihre Absicht bekundet, eine eindeutige gesetzliche Regelung für die Patientenverfügung treffen zu wollen. Warum ist ein solches Gesetz notwendig?
Zypries: Die rasanten medizinischen Entwicklungen der letzten Jahre eröffnen ungeahnte Chancen im Kampf gegen Krankheit und Sterben. Eine hoch qualifizierte Apparatemedizin führt aber auch dazu, dass der Tod immer häufiger nicht schicksalhaftes Ereignis ist, sondern das Ergebnis einer von Menschen getroffenen Entscheidung über lebensverlängernde Maßnahmen. Für den Fall, dass sie ihren Willen nicht mehr äußern können, wollen viele Bürgerinnen und Bürger selbstbestimmt festlegen, welche Art der medizinischen Behandlung sie wünschen. Hierzu dient die Patientenverfügung. Obwohl der Bundesgerichtshof in der Vergangenheit bestätigt hat, dass sie verbindlich sein können, herrscht in der Praxis eine starke Verunsicherung insbesondere über die Bindungswirkung und Reichweite von Patientenverfügungen. Wir brauchen daher klare Vorschriften, die festlegen, unter welchen Bedingungen eine Patientenverfügung im entscheidenden Zeitpunkt wirksam wird. Zudem fehlt bislang eine gesetzliche Regelung, wann besonders schwerwiegende Entscheidungen eines Betreuers oder Bevollmächtigten vom Vormundschaftsgericht genehmigt werden müssen.
dez: Es geht also darum, einerseits dem Selbstbestimmungsrecht des Patienten weitest möglich Geltung zu verschaffen und andererseits einen sicheren rechtlichen Rahmen für die behandelnden Ärzte zu gewährleisten. Wo sehen Sie die Grenzen des Selbstbestimmungsrechts eines Patienten?
Zypries: Die Grenzen sehe ich ganz klar dort, wo sie auch bislang gezogen werden, nämlich bei der aktiven Sterbehilfe. Sie kann weder von einem einwilligungsfähigen Patienten noch im Vorhinein in einer Patientenverfügung wirksam gefordert werden. Dabei muss es bleiben. Für nicht vertretbar halte ich dagegen, das Selbstbestimmungsrecht bei ärztlichen Heilbehandlungen zu beschränken mit der Folge von Zwangsbehandlungen. Meine Position lautet deshalb: Selbstbestimmungsrecht: ja, aktive Sterbehilfe: nein.
dez: Politiker und Ärzte fordern mehrheitlich eine klare gesetzliche Regelung. Dabei werden aber quer durch alle Parteien, durch die Ärzteschaft und - nicht zuletzt - durch die Bevölkerung ganz unterschiedliche Meinungen über die Reichweite einer Patientenverfügung vertreten. Auch die erste Orientierungsdebatte im Deutschen Bundestag am 29. März dieses Jahres hat gezeigt, dass bei diesem Thema fundamentale ethische Fragen und GrundeinsteIlungen berührt sind. Wo sehen Sie gemeinsame Nenner und wo sind die Positionen unvereinbar?
Zypries: Wir sind über 600 Abgeordnete im Bundestag und wenn es um den Tod und das Sterben geht, hat jeder natürlich seine ganz persönliche Meinung. Einigkeit besteht darüber, dass wir bei einer gesetzlichen Regelung das Selbstbestimmungsrecht auf der einen und den Respekt vor dem Leben auf der anderen Seite zu berücksichtigen haben. Uneins ist man sich insbesondere über die Reichweite von Patientenverfügungen. Derzeit liegen für eine gesetzliche Regelung der Patientenverfügung drei Vorschläge auf dem Tisch: Der Entwurf von meinem Fraktionskollegen Joachim Stünker greift viele Ideen aus dem schon 2004 vorgelegten Entwurf des Bundesjustizministeriums auf. Er stellt eindeutig klar, dass eine Patientenverfügung in allen Lebensphasen zu beachten ist. Außerdem entspricht er dem Anliegen vieler Menschen, dass ihr Wille nicht einfach übergangen wird, wenn sie sich nicht mehr äußern können. Ich unterstütze ihn daher nachdrücklich. Den Gesetzesvorschlag des Unionspolitikers Wolfgang Bosbach lehne ich dagegen ganz entschieden ab. Danach soll eine lebens erhaltende Behandlung nur dann auf der Grundlage einer Patientenverfügung abgebrochen werden können, wenn der Krankheitsverlauf unumkehrbar zum Tod führt. Diese Reichweitenbeschränkung sieht den erklärten Willen des Betroffenen in bestimmten Stadien einer Erkrankung einfach als unbeachtlich an. Auch ein Bevollmächtigter oder Betreuer des Kranken hätte dann kein Mitspracherecht. Stattdessen würde allein der ärztliche Befund zum Maßstab dafür, ob ein ärztlicher Eingriff stattfinden darf. Ein Kranker müsste sich dann möglicherweise medizinischen Maßnahmen unterwerfen, die er in einer Patientenverfügung ausdrücklich abgelehnt hat. Das wäre ein erheblicher Rückschritt gegenüber der geltenden Rechtslage und ein nicht zu rechtfertigender Verstoß gegen das Selbstbestimmungsrecht. Mit einem solchen Gesetz würden wir die Ängste in der Bevölkerung vor einer Zwangsbehandlung weiter verstärken. Ein dritter Gesetzentwurf - vorgelegt vom CDU-Abgeordneten Wolfgang Zöller - lehnt die Reichweitenbegrenzung eben-falls ab. Das begrüße ich. Der Vorschlag enthält aber einige Unschärfen, die in der Praxis zu Problemen führen könnten.
dez: Eine von einer breiten Mehrheit getragene Lösung wird also nicht von heute auf morgen zu finden sein. Bis wann rechnen Sie mit dem Inkrafttreten einer gesetzlichen Regelung über die Patientenverfügung?
Zypries: Über eine gesetzliche Regelung zur Patientenverfügung wird ja nun schon seit mehreren Jahren diskutiert. Es geht also nicht um eine Lösung "von heute auf morgen". Die Argumente sind ausgetauscht und finden in verschiedenen Gesetzentwürfen ihren Ausdruck. Letztlich werden die Abgeordneten des Deutschen Bundestages die verschiedenen Auffassungen gegeneinander abzuwägen haben. Wann das entsprechende Gesetz in Kraft tritt, kann ich Ihnen nicht genau sagen. Ich gehe aber davon aus, dass die Beratungen über die Gesetzentwürfe im Herbst beginnen werden, und hoffe, dass sie im nächsten Jahr zum Abschluss kommen.
dez: Was können Sie Menschen raten, die bereits eine Patientenverfügung errichtet haben oder das noch vor dem Inkrafttreten eines entsprechenden Gesetzes tun möchten und die dabei sichergehen wollen, dass ihr Wille im "Fall der Fälle" respektiert und ausgeführt wird?
Zypries: Auch wenn wir im Moment noch keine gesetzliche Regelung haben, gebietet die geltende Rechtsprechung, dass Patientenverfügungen nicht einfach ignoriert werden. Schon jetzt ist eine Patientenverfügung daher ein wichtiges Mittel, um für den "Fall der Fälle" vorzusorgen. Man sollte sie ohne Druck von außen verfassen und sich viel Zeit dafür nehmen. Wichtig ist, möglichst konkret zu beschreiben, in welchen Situationen die Patientenverfügung gelten soll und welche Art der ärztlichen Behandlung man in diesen Fällen noch wünscht bzw. ablehnt. Weil viele Menschen Hilfe bei den entsprechenden Formulierungen suchen, hat eine interdisziplinäre Arbeitsgruppe für das Bundesjustizministerium Textbausteine erstellt. Sie sind in unserer Broschüre "Patientenverfügung" zu finden, von der schon etwa 800000 Exemplare an interessierte Bürgerinnen und Bürger versandt wurden. Am besten ist es, sich vor Abfassen der Patientenverfügung auch von einem Arzt oder einer anderen fachkundigen Person bzw. Organisation beraten zu lassen.
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z_3-2007 Das Behindertentestament |
Das Behindertentestament
So kann behinderten Kindern das Erbe gesichert werden
Unter dem Begriff "Behindertentestament" ist nicht etwa das Testament eines Menschen mit Behinderung zu verstehen, sondern vielmehr eine letztwillige Verfügung - meist das Testament seiner Eltern - zu seinen Gunsten. Was bei der Errichtung eines solchen Testaments beachtet werden sollte, lesen Sie hier.
Hauptziel jedes Behindertentestamentes ist die Zuwendung von Nachlasswerten an das regelmäßig lebenslang auf Sozialhilfeleistungen angewiesene behinderte Kind. Ihm soll nach dem Tod der Eltern ein Leben über Sozialhilfeniveau ermöglicht werden, ohne dass der jeweilige Kostenträger wegen des sogenannten Nachranggrundsatzes der Sozialhilfe den Einsatz des Erbes verlangen kann. So ist beispielsweise bei Inanspruchnahme von Sozialhilfeleistungen in Form von Grundsicherung, Eingliederungshilfe, bei Wohnstättenunterbringung oder betreutem Wohnen lediglich ein Vermögenswert von 2600 € geschützt. Bei Überschreiten dieses Freibetrages muss das behinderte Kind zur Beseitigung seiner Bedürftigkeit nicht nur sein eigenes, sondern auch etwa ererbtes Vermögen einsetzen. Bedenkt man hierbei, dass im Fall einer Wohnstättenunterbringung oftmals Kosten für das behinderte Kind in Höhe von 2500 bis 4500 € pro Monat anfallen können, wird schnell klar, dass selbst Nachlasswerte in sechsstelliger Größenordnung in relativ kurzer Zeit aufgebraucht sind, ohne dass das Kind selbst hiervon einen praktischen Nutzen hätte. Sind neben dem behinderten noch ein oder mehrere nicht behinderte Kinder vorhanden, wird es ein weiteres Ziel der Eltern sein, den dem behinderten Kind zugewandten Nachlassanteil auch nach dessen Tod der Familie zu erhalten. Zum Erreichen dieser Ziele bieten sich mehrere Lösungsmöglichkeiten an, von denen die in der Praxis am häufigsten anzutreffenden im Folgenden vorgestellt werden sollen.
Die Vermächtnisläsung Hier wird das behinderte Kind enterbt und lediglich mit einem sog. Vorvermächtnis bedacht, das wertmäßig seinen Pflichtteil (die Hälfte des Wertes des gesetzlichen Erbteils) übersteigt. Das Vorvermächtnis wird unter Dauertestamentsvollstreckung bis zum Ableben des Kindes gestellt. Zu Nachvermächtnisnehmern können entweder der überlebende Elternteil, die Geschwister, gemeinnützige Vereinigungen oder Stiftungen bestimmt werden. Vorteil: Das behinderte Kind erhält bei dieser Lösung nur einen schuldrechtlichen Anspruch gegen den Erben oder die Erbengemeinschaft auf Erfüllung des Vermächtnisses, wird jedoch nicht Mitglied der Erbengemeinschaft. Insbesondere in den häufig anzutreffenden Fällen der durch Vormundschaftsgerichte angeordneten gesetzlichen Betreuungen bleibt die Erbengemeinschaft bei dieser Gestaltung wegen der fehlenden Mitsprachemöglichkeit des Betreuers - und damit auch des Vormundschaftsgerichts - uneingeschränkt handlungsfähig. Nachteil: Bislang noch nicht gerichtlich geklärt ist die Frage, ob ein Sozialhilfekostenträger über die Regelung des § 102 SGB XII (Sozialgesetzbuch, XII. Buch) beim Tod des behinderten Vorvermächtnisnehmers wegen erbrachter Sozialhilfeleistungen zumindest teilweise auf das Nachvermächtnis zugreifen kann. Es besteht deshalb die Gefahr, dass der Nachvermächtnisnehmer nur einen Teil des Vorvermächtnisses erhält oder sogar völlig leer ausgeht.
Dennoch kann, je nach Lage der Dinge im konkreten Einzelfall, die Vermeidung einer Erbengemeinschaft mit dem behinderten Kind wichtiger sein als die drohende Zugriffsmöglichkeit eines Sozialhilfekostenträgers beim Tod des behinderten Kindes. Im Ergebnis kann deshalb zur Anwendung der Vermächtnislösung nur nach Abwägung sämtlicher Vor- und Nachteile sowie ausführlicher und fachkundiger Beratung der künftigen Erblasser geraten werden. Insbesondere bei niedrigen Nachlasswerten wird man sie aber durchaus favorisieren können.
Die Vor- und Nacherbschaftslösung Dieses Lösungsmodell, das inzwischen auch als klassisches Behindertentestament bezeichnet wird, sieht die Erbeinsetzung des behinderten Kindes auf Lebenszeit als sog. nicht befreiter Vorerbe zu einer Erbquote vor, die wegen der Vorschrift des § 2306 Abs. 1 BGB (Bürgerliches Gesetzbuch) über seiner Pflichtteilsquote liegen muss. Bei einem Ansatz der Erbquote gleich oder niedriger der Pflichtteilsquote würden sowohl die Einsetzung des Nacherben als auch die Ernennung des Testamentsvollstreckers als nicht angeordnet gelten. Das behinderte Kind wäre dann unbeschränkter Erbe mit der Folge des direkten Zugriffs eines Sozialhilfe kostenträgers auf den Nachlass. Die beabsichtigte Konstruktion des Behindertentestaments wäre dann in sich zusammengebrochen. Ähnlich wie bei der Vermächtnislösung sind Nacherben des behinderten Vorerben die übrigen Miterben oder gemeinnützige Organisationen. Zur dauernden Verwaltung des Erbteils des behinderten Kindes wird Testamentsvollstreckung in Form der Verwaltungsvollstreckung auf Lebenszeit des behinderten Vorerben angeordnet. Im Rahmen bindender Verwaltungsanordnungen hat der Testamentsvollstrecker das verwaltete Vorerbe sowie dessen Erträge ausschließlich für den persönlichen Bedarf des behinderten Kindes zu verwenden, das ihm damit unmittelbar zugute kommt, ohne dass ein Sozialhilfekostenträger eine Zugriffsmöglichkeit erhält.
Bei der Verwendung dieser Erträge könnte es sich zum Beispiel um folgende Leistungen handeln:
· Zuwendungen an Fest- und Feiertagen sowie Geburtstagen, · Kleidung, Einrichtung und Ausstattung des Zimmers in der Wohnstätte, · persönliche Anschaffungen wie z.B. Musik- und sonstige technische Geräte, · Urlaubs- und Freizeitmaßnahmen, · Therapien, Medikamente, ärztliche Behandlungen, Heil- und Hilfsmittel, die nicht oder nicht vollständig von dritter Seite erstattet werden, · Kuraufenthalte, · Besuche bei Verwandten und Freunden, · Theater- und Konzertbesuche.
Diese Sachleistungen sind dem Sozialhilfeträgerzugriff entzogen, da sie kein anrechenbares Einkommen im Sinne des § 82 SGB XII darstellen. Da der Vorerbe selbst über ein der Verwaltung durch den Testamentsvollstrecker unterliegendes Erbe nicht verfügen kann, sondern ausschließlich der Testamentsvollstrecker, gilt er aus Sicht des Sozialhilfekostenträgers als mittellos. Darüber hinaus besteht noch die Möglichkeit, dem Testamentsvollstrecker die Wahrnehmung der Rechte und Pflichten der Nacherben bis zum Eintritt des Nacherbfalls zu übertragen. Von dieser sogenannten Nacherben testamentsvollstreckung wird man in den Fällen Gebrauch machen, in denen der Testamentsvollstrecker nicht der einzige Nacherbe ist.
Vor- und Nachteile des klassischen Behindertentestamentes Durch die Anordnung von Vor- und Nacherbschaft hinsichtlich des Erbteils des behinderten Kindes entsteht ein von seinem Eigenvermögen zu unterscheidendes Sondervermögen, auf das die Eigengläubiger des Kindes - und damit auch ein Sozialhilfekostenträger - gemäß § 2214 BGB keine Zugriffsmöglichkeit haben und das nach dem Tod des Kindes automatisch an den oder die Nacherben fällt. Rein praktisch gesehen ist der Vorerbe ein Erbe auf Zeit. Seine Stellung ist mit der eines Nießbrauchsberechtigten vergleichbar, auch wenn er rechtlich gesehen als Erbe gilt.
Der Vorerbe kann das ihm zugewandte Erbe wegen bestehender gesetzlicher Beschränkungen nur eingeschränkt verwerten. Das Vorerbe stellt aus Sicht eines Sozialhilfekostenträgers deshalb kein nach § 90 SGB XII zu verwertendes Vermögen dar. Der auf Sozialhilfe angewiesene Vorerbe gilt als mittellos und behält auch nach dem Vorerbanfall weiterhin Anspruch auf sämtliche ihm zustehenden Sozialhilfeleistungen. Die weitere Anordnung von Testamentsvollstreckung in Verbindung mit den getroffenen Verwaltungs anordnungen stellt sicher, dass die an den Vorerben auszukehrenden Erträge des Vorerbes wie Zinsen, Miet- und Pachterträge oder Dividenden diesem ausschließlich in Sachleistungsform zufließen. Den erwähnten Vorteilen der Vor- und Nacherblösung steht als nennenswerter Nachteil die Tatsache gegenüber, dass das behinderte Kind als Vorerbe Mitglied der Erbengemeinschaft und der Testamentsvollstrecker demzufolge an sämtlichen Entscheidungen über den Nachlass mitbeteiligt ist. Dies kann insbesondere bei zum Nachlass gehörenden Einzelunternehmen oder Personengesellschaften zu Problemen führen.
Keine Haftung des Nacherben für die an den Vorerben geleistete Sozialhilfe Grundsätzlich haften Erben eines Hilfeempfängers gemäß § 102 SGB XII gegenüber dem jeweiligen Sozialhilfekostenträger für die von diesem innerhalb der letzten zehn Jahre aufgewendeten Sozialhilfekosten. Weil aber sowohl Vor- als auch Nacherbe zeitlich hintereinander geschaltete Erben des Erblassers sind, ist der Nacherbe als Erbe des Erblassers nicht Erbe des behinderten Vorerben und haftet demzufolge auch nicht für die an diesen geleisteten Sozialhilfeaufwendungen. Unter Abwägung aller Aspekte bietet die Vorund Nacherbanordnung in Verbindung mit der Anordnung von Testamentsvollstreckung die größten Vorzüge gegenüber sämtlichen anderen Lösungen. Dies bedeutet jedoch nicht, dass das klassische Behindertentestament in allen Erbfällen den Königsweg darstellen muss.
Keine Sittenwidrigkeit des Behindertentestamentes Der Bundesgerichtshof (BGH), das höchste deutsche Zivilgericht, hatte sich bereits mehrfach mit der rechtlichen Wirksamkeit von Behindertentestamenten zu befassen. Wegen Verstoßes gegen den Nachranggrundsatz sowie der Vereitelung der Erbenhaftung hatte ein Sozialhilfekostenträger die in der letztwilligen Verfügung einer Mutter zugunsten ihrer psychisch kranken und in einer Wohnstätte lebenden Tochter enthaltene Vor- und Nacherbfolge nebst Testamentsvollstreckungsanordnung bei einem Wert des Vorerbes von damals 110000 DM als sittenwidrig angesehen. In seiner auch heute noch im Wesentlichen maßgeblichen Entscheidung vom 20.10.1993 (Az. IV ZR 231/92) hat der BGH festgestellt, dass durch entsprechende letztwillige Verfügungen das behinderte Kind auf Lebenszeit nicht unerhebliche zusätzliche Vorteile und Annehmlichkeiten erhalte, die bei einem Absinken des heute erreichten Standes der Sozialleistungen für Behinderte noch wichtiger werden könnten. Unter Hinweis auf eine bereits im Jahr 1990 zum Behindertentestament ergangene Entscheidung (Az. IV ZR 169/89) hat das Gericht weiter ausgeführt, "dass Eltern auf diese Weise gerade der zuvörderst ihnen zukommenden sittlichen Verantwortung für das Wohl ihres Kindes Rechnung tragen und nicht verpflichtet sind, diese Verantwortung dem Interesse der öffentlichen Hand an einer Teildeckung ihrer Kosten hintanzusetzen". Auch eine Nichtigkeit der letztwilligen Verfügung wegen Verletzung des Nachranggrundsatzes der Sozialhilfe hat das Gericht verneint, da dieser Grundsatz im Sozialhilferecht selbst in erheblichem Maße durchbrochen worden sei und seine Prägekraft weithin verloren habe. Im Ergebnis hat der BGH somit unter Hinweis auf die grundgesetzlich geschützte Testierfreiheit das sog. Behindertentestament abgesegnet. Die Verneinung der Sittenwidrigkeit durch die Rechtsprechung wird allerdings in Fällen höherer Vermögenswerte (mehr als 500000 €) immer wieder infrage gestellt. Sittenwidrigkeit dürfte aber allenfalls in den relativ seltenen Fällen anzunehmen sein, in denen allein die Erträge des dem behinderten Kind zugewandten Vorerbes ausreichen, um die vom Kostenträger aufgewandte Sozialhilfe in vollem Umfang zu decken.
Mögliche Problemstellungen beim Behindertentestament Trotz richtiger Wahl der von der Rechtsprechung abgesegneten und demzufolge auch von den Sozialhilfekostenträgern grundsätzlich hinzunehmenden Vor- und Nacherbkonstruktion kann es im Einzelfall zu Problemen bei der Umsetzung eines Behindertentestamentes kommen. Nachfolgend sollen deshalb einige Problemkreise behandelt werden.
Pflichtteilsstrafklausel beim ersten Erbfall In einem Urteil aus dem Jahre 2004 hat der BGH (Az. IV ZR 223/03) entschieden, dass ein Sozialhilfekostenträger den Pflichtteils anspruch des behinderten Kindes auf sich überleiten und anschließend geltend machen kann. In dem der Entscheidung zugrunde liegenden Fall hatten sich Eltern von acht Kindern beim ersten Erbfall zu gegenseitigen Alleinerben eingesetzt (sog. Berliner Testament) sowie beim zweiten Erbfall die behinderte Tochter zur Mit-Vorerbin bestimmt. Der Geltendmachung von Pflichtteilsansprüchen aller durch das Berliner Testament beim ersten Erbfall faktisch enterbten Kinder begegneten die Eltern mit einer sog. Pflichtteilsstrafklausel. Danach sollte dasjenige der Kinder, das bereits beim ersten Erbfall seinen Pflichtteil geltend macht, auch beim zweiten Erbfall lediglich seinen Pflichtteil erhalten. Trotz der Pflichtteilsstrafklausel sowie des entgegenstehenden Willens des Betreuers der pflichtteilsberechtigten Tochter hat der BGH der Klage auf Pflichtteilszahlung nach dem Tod des ersten Elternteils stattgegeben. Da beide Elternteile kurz hintereinander verstorben waren, hatte der Sozialhilfe kostenträger unter Berufung auf den Wortlaut der Strafklausel auch den Pflichtteilsanspruch nach dem letztverstorbenen Elternteil geltend gemacht. Diesbezüglich hat der BGH die Klage jedoch unter entsprechender Auslegung des letzten Willens der Eltern abgewiesen. Nach Ansicht des BGH würde die wortgetreue Anwendung der Strafklausel zu dem widersinnigen Ergebnis führen, dass der Zugriff auf den Nachlass des erstverstorbenen Elternteils dem Sozialhilfeträger den sonst versperrten Zugriff auf den Nachlass des letztversterbenden Elternteils überhaupt erst eröffnen würde.
Auswahl des Testamentsvollstreckers Die Auswahl des richtigen Testamentsvollstreckers stellt Eltern nicht selten vor große Probleme. Da der jeweilige Testamentsvollstrecker Inhaber einer absoluten Vertrauensstellung ist und ohne direkte gerichtliche Kontrolle den Willen der Eltern umzusetzen hat, stellt das Finden einer geeigneten Person insbesondere dann eine nicht selten fast unüberwindbare Hürde dar, wenn außer dem behinderten Kind keine weiteren Kinder vorhanden sind, die man mit dem Amt betrauen könnte. Sollte man auch im Verwandten- oder Bekanntenkreis nicht fündig werden, bleibt als letzter Ausweg nur die Möglichkeit, den Testamentsvollstrecker vom zuständigen Nachlassgericht bestimmen zu lassen. Aber auch in den Fällen, in denen neben dem behinderten nur noch ein weiteres, nicht behindertes Kind vorhanden ist, kann es zu einer Interessenkollision kommen, wenn das nicht behinderte Kind gesetzlicher Betreuer seines behinderten Geschwisterteils ist. Da niemand sein eigener Kontrolleur sein kann, muss damit gerechnet werden, dass das zuständige Vormundschaftsgericht diese Konstellation nicht akzeptiert. Wegen der Gefahr der Bestellung eines familienfremden Ergänzungsbetreuers sollte deshalb dem Testamentsvollstrecker die Befugnis eingeräumt werden, einen Nachfolger zu ernennen oder ihn bei eigener Nichtannahme des Amtes als Dritten im Sinne des § 2198 BGB zu bestimmen.
Lebzeitige Zuwendungen an die nicht behinderten Kinder Nicht selten übertragen Eltern bereits zu Lebzeiten im Wege der vorweggenommenen Erbfolge Vermögenswerte an nicht behinderte Kinder. Stellt der geschenkte Vermögenswert - z. B. das Familieneigenheim - das wesentliche Vermögen der Eltern dar, ergeben sich aus dieser Vorabübertragung zwei Problemkreise: Zum Zeitpunkt der späteren Erbfälle sind keine nennenswerten Vermögenswerte mehr vorhanden, die dem behinderten Kind über ein entsprechendes Behindertentestament einen Nutzen ermöglichen könnten. Nach dem Tod der Eltern ist das behinderte Kind deshalb auf freiwillige Leistungen seiner nicht behinderten Geschwister angewiesen. Die Bereitschaft zur Erbringung solcher freiwilligen Leistungen dürfte allerdings dann drastisch sinken, wenn die Geschwister vom Sozialhilfekostenträger auf Zahlung eines Pflichtteilsergänzungsanspruchs wegen der innerhalb der letzten zehn Jahre vor dem Erbfall erfolgten Schenkungen in Anspruch genommen werden sollten. Zudem wird bei lebzeitigen Immobilienübertragungen vielfach nicht bedacht, dass bei Einräumung eines Nießbrauchs oder Wohnrechts für die Eltern die für den Wegfall des Pflichtteilsergänzungsanspruchs maßgebliche Zehnjahresfrist nicht in Gang gesetzt wird, weil die derart zugunsten der Eltern belastete Immobilie zwar rechtlich, nicht aber wirtschaftlich aus dem elterlichen Vermögen ausgegliedert wurde. Deshalb muss auch noch nach Ablauf von zehn Jahren mit der Geltendmachung des Pflichtteils ergänzungs anspruchs durch den jeweiligen Sozialhilfekostenträger gerechnet werden.
Zu niedrige Erbquote Das klassische Behindertentestament setzt nach derzeitiger Rechtslage voraus, dass die dem behinderten Kind zugewandte Erbquote über seiner jeweiligen Pflichtteilsquote liegt. Aus diesem Grunde ist auf die Höhe dieser Erbquote besonderes Augenmerk zu legen. Beim Ehegattentestament ist deshalb abzuklären, in welchem Güterstand die Eheleute leben. Da die bei Unternehmerehepaaren häufig anzutreffende Gütertrennung gegenüber dem gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft bei Vorhandensein von zwei und mehr Kindern zu einer Erhöhung der Pflichtteilsquote auch des behinderten Kindes führt, besteht bei zu niedriger Miterbquote die Gefahr, dass das Vorerbe des behinderten Kindes zum unbeschränkten und damit zugriffsfähigen Vollerbe wird. Daneben würde in diesem Fall zusätzlich ein ebenfalls überleitungsfähiger Pflichtteilsrestanspruch entstehen.
Vorversterben des behinderten Kindes Sollte zum Zeitpunkt des Todes des ersten Elternteils das behinderte Kind bereits vorverstorben und im Testament keine Ersatzerbenbestimmung getroffen worden sein, würde aufgrund gesetzlicher Vermutung der Nacherbe zum Ersatzerben. Handelt es sich bei diesem Nacherben zum Beispiel um eine Behindertenorganisation, dann würde der überlebende Elternteil mit dieser Behindertenorganisation eine Erbengemeinschaft bilden - ein mit Sicherheit nicht gewolltes Ergebnis. Durch entsprechende inhaltliche Gestaltung der letztwilligen Verfügung ist für diesen Sachverhalt der überlebende Elternteil zum unbeschränkten Vollerben zu bestimmen.
Salvatorische Klausel bei Sittenwidrigkeit des Testaments Da die Sittenwidrigkeit des Behindertentestamentes nicht in allen Fällen von vornherein ausgeschlossen werden kann, sollte bei dessen möglicher Unwirksamkeit dem behinderten Kind lediglich sein Pflichtteil ausgesetzt werden.
Ausschlagung trotz Behindertentestament
Trotz Vorliegens eines wirksamen Behindertentestamentes ist nicht völlig auszuschließen, dass zum Beispiel ein vom Vormundschaftsgericht eingeschalteter Ergänzungsbetreuer aufDruck des Sozialhilfekostenträgers den Pflichtteilsanspruch des behinderten Kindes geltend macht. Diese Geltendmachung des Pflichtteils anspruchs setzt jedoch die vorherige Ausschlagung des Vorerbanteils voraus. Die Ausschlagungserklärung des Ergänzungsbetreuers wiederum bedarf der vormundschaftsgerichtlichen Genehmigung. Bei seiner Entscheidung wird sich das Gericht ausschließlich an dem für das Betreuungsrecht maßgeblichen Wohl des unter Betreuung stehenden behinderten Vorerben zu orientieren haben. Das Gericht hat bei seiner Entscheidung also abzuwägen, ob die Geltendmachung des Pflichtteils für den Betreuten gegenüber der Einsetzung als Vorerbe vorteilhafter ist. Dies dürfte beispielsweise bei Unterbringung des behinderten Vorerben in einer Wohn stätte nicht der Fall sein, da der Pflichtteil in relativ kurzer Zeit für die Kosten der Betreuung aufgebraucht und der Vorerbe für den Rest seines Lebens ausschließlich auf Sozialleistungen angewiesen wäre.
Überleitung des Ausschlagungsrechts auf den Sozialhilfeträger Immer wieder wird die Frage diskutiert, ob der Sozialhilfeträger selbst das Recht zur Ausschlagung des Vorerbes auf sich überleiten kann, um den Pflichtteilsanspruch zu realisieren. Im Ergebnis herrscht allerdings Einigkeit darin, dass das Ausschlagungsrecht selbst als höchstpersönliches Gestaltungsrecht nicht dem Sozialhilfekostenträger zusteht und deshalb auch nicht von diesem auf sich übergeleitet werden kann. Es bleibt deshalb dabei, dass die Frage der Ausübung des Ausschlagungsrechts allein vom behinderten Vorerben oder seinem Betreuer zu beantworten ist, wobei sich die Entscheidung ausschließlich an den Interessen des betreuten Behinderten zu orientieren hat.
Wohnrecht für das behinderte Kind Nicht selten haben Eltern den Wunsch, dass das behinderte Kind nach ihrem Tod weiterhin im Elternhaus leben soll und räumen ihm deshalb ein Wohnrecht ein. Die praktische Umsetzung eines solchen Wohnrechts setzt zunächst voraus, dass das behinderte Kind tatsächlich in der Lage ist, es auch selbst auszuüben. Ist dies nicht der Fall, besteht die große Gefahr, dass sich das Wohnrecht in einen Geldzahlungsanspruch verwandelt. Auch wird die mit dem Wohnrecht belastete Immobilie in aller Regel entweder gar nicht oder nur sehr schwer verwertbar sein.
Änderungsbefugnis für überlebenden Elternteil Da beim Ehegattentestament grundsätzlich Bindungswirkung der gemeinsamen Verfügungen nach dem Tode des erstversterbenden Elternteils eintritt, sollte im Hinblick auf unvorhergesehene familiäre Entwicklungen sowie mögliche Änderungen in Rechtsprechung und Gesetzgebung dem überlebenden Elternteil ein uneingeschränktes Änderungsrecht vorbehalten werden.
Checkliste Behindertentestament Die sachgerechte Regelung der Nachfolge in das Vermögen von Eltern behinderter Kinder bedarf ausführlicher fachkundiger Beratung und langfristiger Planung. Die wesentlichen Eckpunkte des klassischen Behindertentestamentes sollen an dieser Stelle nochmals übersichtlich zusammengefasst werden: · Einsetzung des behinderten Erben in beiden Erbfällen als nicht befreiter Vorerbe; · Bemessung der Erbquote jeweils über der Pflichtteilsquote; · Anordnung von Dauertestamentsvollstreckung auf Lebenszeit in Verbindung mit Verwaltungsanordnungen; · Einsetzung von Nach- und Ersatzerben; · Benennung des Testamentsvollstreckers sowie eines Nachfolgers; · Anordnung der Nacherbenvollstreckung; · Änderungsbefugnis für den überlebenden Elternteil; · Salvatorische Klausel für den Fall der Sittenwidrigkeit des Behindertentestaments.
Norbert Bonk, Rechtsanwalt, Köln
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